Die Existenz des Staates Israel soll in keiner Weise in Frage gestellt werden.
Bild: KaraGrubis
Juden und Christen
Christlich-jüdisches Verhältnis
Landessynode, Landesbischof, Landessynodalausschuss und Landeskirchenrat der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern haben heute bei der Synodaltagung in Straubing ein „Wort aller kirchenleitenden Organe zur Entwicklung des christlich-jüdischen Verhältnisses“ verabschiedet.
Zehn Jahre nach der Erklärung „Juden und Christen“ bei der Herbstsynode 1998 in Nürnberg nimmt die Kirchenleitung der bayerischen Landeskirche vor allem Aufgaben für die künftige Entwicklung des christlich-jüdischen Verhältnisses in den Blick. Besonders in Aus- und Fortbildung von Haupt- und Ehrenamtlichen sollen die Themen des christlich-jüdischen Dialog fest verankert werden. Gefordert wird auch eine kritische Auseinandersetzung mit den antijüdischen Äußerungen Martin Luthers. Der Dialog von Christen und Juden soll künftig über den religiösen Bereich hinaus auch praktische Bedürfnisse der jüdischen Gemeinden – z.B. die Integration russischer Juden - ernst nehmen. Konkret stellt das Wort fest, dass für die Bayerische Landeskirche alle Aktivitäten undenkbar sind, die das Ziel einer Konversion von Juden zum Christentum verfolgen. Die Existenz des Staates Israel soll in keiner Weise in Frage gestellt werden. Kritik an der Politik des Staates Israel darf nicht für neuen Antisemitismus mißbraucht werden.
Der vollständige Text im Wortlaut:
Wort aller kirchenleitenden Organe zur Entwicklung des christlich-jüdischen Verhältnissesauf der Herbstsynode 2008 in Straubing
In der Erklärung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) zum Thema „Juden und Christen“ bei der Herbstsynode aus dem Jahr 1998 wurde das Verhältnis zum Judentum als „zentrale Lebensfrage“ von Kirche und Theologie bezeichnet. Heute blicken wir auf das zurück, was in den vergangenen Jahren auf den Weg gebracht wurde und stellen uns den Herausforderungen der Zukunft.
23.02.2016
ELKB
Christlich-jüdische Begegnung in Bayern
Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern hat in der zurückliegenden Dekade daran gearbeitet, christlich-jüdische Begegnungen auf allen Ebenen der Kirche und der Gesellschaft anzustoßen. Jüdische Gemeinden und Evangelisch-Lutherische Gemeinden und Dekanatesbezirke arbeiten an vielen Orten verständnis- und vertrauensvoll zusammen. Das Gleiche gilt auf Landesebene. So hat die Landeskirche die Entstehung der neuen jüdischen Zentren in Bayern in den letzten Jahren unterstützt und gefördert. Den Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Bayern, aber auch vielen evangelischen Bildungseinrichtungen gelingt es in der Woche der Brüderlichkeit und darüber hinaus, Jahr für Jahr mit hohem Engagement Menschen auf vielfältige Weise in die Auseinandersetzung mit diesem Thema einzubinden. Dabei wird Geschichte vergegenwärtigt, aber es werden auch neue Perspektiven des Miteinanders von Christen und Juden entwickelt. Der Verein ‚Begegnung von Christen und Juden’ (BCJ Bayern) arbeitet im Auftrag unserer Landeskirche z.B. durch Vorträge, Tagungen, Arbeitshilfen an einer Neuorientierung im christlich-jüdischen Verhältnis. Mit der Ausstellung „Blickwechsel“ hat er zahlreichen Gemeinden und Institutionen unserer Landeskirche ermöglicht, sich konkret der Aufarbeitung der Vergangenheit zu stellen, um neue Perspektiven zu eröffnen.
• Das Synagogen-Projekt-Bayern dokumentiert nicht nur die in der NS-Zeit zerstörten, wie die noch erhaltenen Synagogen, sondern auch die Phasen, in denen es ein gelungenes Zusammenleben von Christen und Juden in Bayern gab. Der erste Teilband „Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern 1“ ist bereits 2007 erschienen, zwei weitere Bände sind im Entstehen.
• Der Wilhelm-von-Pechmann-Preis, der seit 2008 verliehen wird, ist ein deutliches Zeichen, dass sich die ELKB ihrer Schuld und ihrer Verantwortung für die Vergangenheit stellt. Mit dem Preis verbunden ist die Förderung von individueller und gemeinsamer Zivilcourage, um ein gleichberechtigtes Zusammenleben von Christen und Juden in der Gesellschaft zu gewährleisten.
• Die Einrichtung der Schalom-Ben-Chorin-Gastprofessur für jüdische Studien ist ein weiterer ermutigender Schritt in die Zukunft. Sie will das Gespräch mit profilierten Vertretern des gegenwärtigen Judentums im Kontext unserer Universitäten, Bildungseinrichtungen und Gemeinden fördern.
Aufgaben für die Zukunft
Auch wenn im Bereich der ELKB in den letzten Jahren einiges erreicht wurde, bleibt noch viel zu tun. Besondere Bedeutung kommt dabei folgenden Themen zu:
• Die Bemühungen, den christlich-jüdischen Dialog in den unterschiedlichen Aus- und Fortbildungsbereichen von Haupt- und Ehrenamtlichen zu verankern, müssen engagiert weitergeführt werden (Theologiestudium, Predigerseminar, Religionspädagogik, Kirchenmusik, Diakonische Einrichtungen). Dabei sollten Themen, die mit dem christlich-jüdischen Dialog verbunden sind, in kirchlichen Ausbildungsgängen und im Theologiestudium fest verankert sein.
• Die ELKB stellt sich ihrer historischen Verantwortung für die Entstehung von Antijudaismus und Antisemitismus. Dazu gehört auch eine intensivierte kritische Auseinandersetzung mit den antijüdischen Äußerungen Martin Luthers. Die weitere Aufarbeitung der eigenen Geschichte – auch auf der Ebene der Ortsgemeinden – ist daher dringend notwendig. Insbesondere die Rolle der kirchenleitenden Organe in dieser Zeit muss eingehender untersucht werden. Nur so kann deutlich werden, dass wir es mit Umkehr und Neubesinnung wirklich ernst meinen.
• Weiter diskutiert werden müssen umstrittene Grundfragen des christlichen Selbstverständnisses im Verhältnis zum Judentum, wie z.B. das trinitarische Gottesbekenntnis, das Verständnis von christlichem Zeugnis und die Stellung der ELKB zu den so genannten „messianischen Juden“.
• Aktivitäten, die das Ziel einer Konversion von Juden zum Christentum verfolgen, sind für die ELKB undenkbar.
• Die ELKB wird jederzeit und unter allen Bedingungen deutlich gegen jede Form von Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Rechtsradikalismus eintreten. Sie beteiligt sich daher aktiv am „Bayerischen Bündnis für Toleranz – Demokratie und Menschenwürde schützen“.
• Die Existenz des Staates Israel ist in keiner Weise in Frage zu stellen. Dort, wo Kritik an der Politik Israels laut wird, darf sie nicht so erfolgen, dass sie für neuen Antisemitismus missbraucht werden kann. In theologischer Grundlagenarbeit ist zu erörtern, inwieweit die für Juden so bedeutsame Beziehung von Gott, Volk und Land auch aus christlicher Perspektive zu bejahen ist.
• Der Dialog von Christen und Juden muss über den religiösen Bereich hinausgehen. Er soll die praktischen Bedürfnisse jüdischer Gemeinden (z.B. Integration russischer Juden) ernst nehmen und auch überlegen, wie Juden und Christen als Zeugen des einen Gottes in unserem Land und in unserer Gesellschaft wirken können.
• Es ist zu prüfen, ob sich der Bewusstseinswandel gegenüber dem Judentum auch im Recht und im Leitbild („Perspektiven und Schwerpunkte…“) der ELKB ausdrücken soll.
München, 27. November 2008