Krieg in der Ukraine

Für den Frieden einstehen

In der Aktuellen Stunde beschäftigte sich die Landessynode mit dem Krieg in der Ukraine und dessen Auswirkungen auf die bayerische Landeskirche. Zugeschaltet war der lutherische Bischof Pavel Schwarz.

Dass in Russsland neben nationalistischen Gründen auch mythologische Traditionen als Rechtfertigung für den Krieg gegen die Ukraine gebraucht würden, erläuterte Oberkirchenrat Michael Martin in einem kurzen Abriss zu Geschichte und Gegenwart der Kirchen in Russland und der Ukraine. Auf dem Hintergrund eines gesamtrussischen Mythos erkläre Patriarch Kyrill, dass es einen eigenständigen Staat Ukraine mit eigenständiger Kultur und eigenständiger Sprache nicht gebe, erklärte Martin. Aufgrund Kyrills Haltung zum Krieg hätten einige Bischöfe des Patriarchats Moskau ihre Gemeinschaft mit dem Patriarchen aufgekündigt. Martin zeigte auf, wie die unterschiedlichen Kirchen in der Ukraine sich deutlichst gegen den Krieg im eigenen Land positionierten und größtenteils den bewaffneten Kampf befürworteten.

"Es ist ein Marathon, kein Sprint!"

Per Live-Schaltung berichtete Pavel Schwarz, Bischof der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Ukraine, der derzeit mit einem Hilfsgütertransport innerhalb der Ukraine unterwegs ist, aus der umkämpften Stadt Charkiw: Zahlreiche Mitglieder seiner Kirche seien nach Polen oder in die Westukraine geflohen, die meisten jedoch lebten noch in ihrer Heimat, weil Krieg und Beschuss vielfach eine Flucht verhinderten. Seine Kirche versuche ihren Mitgliedern und anderen Ukrainern zu helfen, aber die personellen und materiellen Ressourcen seien sehr begrenzt.

„Es ist wichtig, Dinge beim Namen zu nennen und die Wahrheit nicht hinter diplomatischer Sprache zu verbergen.“

Pavel Schwarz

Der größte Kraftaufwand stehe jedoch noch bevor, so Schwarz. „Es ist ein Marathon, kein Sprint.“ Die Not werde dann groß werden, wenn die Menschen in ihre zerstörten Häuser zurückkehrten. Deshalb brauche es langfristige Hilfe. Schwaz bedankte sich bei der ELKB für ihre klare Position zum Krieg in der Ukraine. Es gebe zahlreiche lutherische Kirchen, insbesondere in Osteuropa, die nicht klar Stellung bezögen. „Einige unterstützen uns leise.“ Andere aber sprächen vom Heiligen Krieg und einer Entnazifizierung der Ukraine. Von der evangelischen Kirche in Deutschland wünsche er sich klare Worte. „Es ist wichtig, Dinge beim Namen zu nennen und die Wahrheit nicht hinter diplomatischer Sprache zu verbergen.“

In einem Video berichtete Wolfgang Grose von der Diakonie Aschaffenburg über die Hilfe für Flüchtlinge, aber auch über die Herausforderungen, die sich bei einer nachhaltigen Fürsorge für alle Bedürftigen auftun. Ob aus Charkiv Geflüchtete, traumatisierte Menschen aus Aleppo oder Obdachlose – alle seien willkommen und bräuchten Unterstützung. „Es braucht unser aller Anstrengung, den sozialen Frieden zu bewahren“, mahnte Grose. Die aktuelle Flüchtlingskrise zeige wie in einem Brennglas, wie wichtig stabile Hilfe, Netzwerke und Beratungsstrukturen seien: "Weil wir sie lange gehalten und weiterentwickelt haben, können wir jetzt helfen." Die diakonischen Beratungsstrukturen bräuchten neben der öffentlichen Förderung, dass auch die Kirche sie finanziell mittrage. „Als Diakonie sind wir Kirche bei den Menschen. Gemeinsam können wir Menschlichkeit ein Gesicht geben.“

"Der Riss kommt auch in Deutschland an"

Sabine Arnold, Referentin für Gemeindeentwicklung interkulturell im Amt für Gemeindedienst, Nürnberg, informierte über die Spannungen innerhalb der Gemeinschaft der Menschen, die aus der ehemaligen Sowjetunion nach Bayern gekommen sind. Sie weitete den Blick für die Vielfalt dieser Menschen. Auch wenn ein Großteil den Krieg ablehne, sei ihre Weltsicht je nach ihrer Erfahrung doch sehr unterschiedlich. „Der Riss, den der Krieg zwischen die Ukraine und Russland getrieben hat, kommt auch bei uns in Deutschland an.“ Dieser Riss würde durch die russischen Staatsmedien und Social Media befördert. Besonders bei den von der deutschen Gesellschaft Enttäuschten falle dies auf fruchtbaren Boden. Arnold forderte deshalb dringend, bei allem Einsatz für ukrainische Geflüchtete, anderen nicht das Gefühl zu vermitteln, unwichtig und ungeliebt zu sein. „Was wir brauchen ist Versöhnung.“ Risse und Brüche gebe es in den Lebenslinien vieler Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion, ganz gleich welcher Ethnie sie abstammten. Sie bräuchten Würdigung, Achtsamkeit und Begleitung.

Kämpfen und aufbauen

Mit einem bewegenden Friedensgebet zu Versen aus dem Buch Nehemia beendete Sr. Nicole Grochowina die aktuelle Stunde. Christen aus der Ukraine würden im Buch des Propheten Nehemia ihre Situation wiedererkennen, berichtete die Synodale aus einem Gebetskreis mit Ukrainerinnen. Sie sagten: „So geht es uns. Mit einer Hand halten wir die Waffe und mit der anderen bauen wir wieder auf – wie Nehemia. Kämpfen und aufbauen.“ Die Glaubensgeschwister aus der Ukraine beteten um Frieden, aber insbesondere darum, dass das Herz der Kriegstreibenden gewandelt werde, berichtete Sr. NIcole. Dieses Gebet machte sich die Landessynode in Momenten der Stille zu eigen.

Standing Ovations für Bischof Schwarz und eine große Nachdenklichkeit nach einer dichten, emotionalen aktuellen Stunde. In ihren Resümees forderten einige Synodale, Kirche müsse alle Menschen im Blick haben, gerade dort präsent sein, wo sich alle zurückzögen und mehr interkulturelle Kompetenz aufbauen. Denn Kirche sei schon längst eine Einwanderungskirche.

Landessynode beschloss zudem Ukraine-Hilfsfonds in Höhe von 10 Millionen Euro

Die Landessynode begrüßte einstimmig die Bildung eines Fonds von insgesamt 10 Millionen Euro, um die Arbeit mit insbesondere aus der Ukraine geflüchteten Menschen zu unterstützen. Mit je einer Million Euro sollen die Flüchtlingshilfe des Lutherischen Weltbundes und die Arbeit der „Action by Churches together“ gefördert werden – die derzeit den Aufbau von Hilfsstrukturen in der Westukraine und in den angrenzenden Nachbarländern unterstützt. Acht Millionen Euro stehen für die Arbeit in Bayern zur Verfügung. Sie sollen eingesetzt werden, um Arbeitsbereiche, Projekte und Initiativen kirchlicher und diakonischer Träger sowie assoziierter Partner zu unterstützen, die Geflüchteten helfen, in Deutschland ein vorübergehendes oder dauerhaftes Zuhause zu finden. Eingesetzt wird eine Arbeitsgruppe mit dem Titel „AG Herberge 2.0“, die die entsprechenden Bedarfe ermittelt, koordiniert, fördert und vernetzt und damit für die Ausreichung der zur Verfügung gestellten Finanzmittel verantwortlich zeichnet. Vertiefende Informationen, Fördergrundsätze, Antragsformular etc. sind in Vorbereitung. Der Ständige Vertreter des Landesbischofs, Oberkirchenrat Stefan Reimers (im Bild) dankte der Synode im Namen des Landesbischofs und im Namen des Landeskirchenrates für dieses Zeichen aller kirchenleitender Organen der ELKB in Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung.

 

31.03.2022
ELKB/Lüters