Frühjahrstagung 2022

Schwerpunkt: Zukunft der Kirche

"Welche Kirche braucht es künftig, damit Menschen gerne Christ werden und Christ bleiben?" Diese Frage stand im Zentrum der Frühjahrstagung der Landessynode.

Drei Referenten gaben aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln einen Impuls, der dann in Kleingruppen und im Plenum diskutiert und weitergedacht wurde. Die Botschaft: Die Evangelische Kirche hat ein großes Potential, es gibt aber viel zu tun.

Als Suchender, nicht Wissender stellte Alexander Krex, ZEIT-online-Journalist und gebürtiger Ostberliner, den Synodalen Fragen zur Kirche in der Gegenwart. Immer mehr Menschen wüchsen in einem atheistischen Haushalt auf. „Für diese Menschen, zu denen auch ich zähle, ist das Christentum nur noch ein sinnstiftendes Angebot unter vielen.“ Krex forderte die Kirche auf, Berührungspunkte zu schaffen, ohne aufdringlich zu sein. „Keine geistliche Anremplung bitte!“ Menschen seien auf der Suche. Dahinter verberge sich die Sehnsucht nach einer „echten Auseinandersetzung mit dem Hier und Jetzt, die im Alltag nicht zu gelingen scheint“. Kirche hätte unter den Anbietern den Vorteil, dass sie nichts verkaufen müsste. „Sie müssen keine Klinken putzen, keine Kaltaquise machen. Sie müssen nicht lügen“. Gerade deshalb könne es hilfreich sein, sich die Kirche als ein Startup vorzustellen. „Sie müssen sich keine Backstory ausdenken, Sie haben die Bibel.“

Kirche müsse nicht unbedingt modern sein, so Krex. „Wenn das Innere der Kirche nur eine Verlängerung des modernen Draußen ist, weiß ich nicht, warum ich sie überhaupt betreten soll.“ Zweifel als permanente Selbstreflexion sei in der Kirche wichtig, weil er den Glauben authentisch und nahbar mache. „Wenn sogar höchste Würdenträger von ihrem Zweifel berichten – Zweifel an ihrem Wirken, an ihrem Glauben, ja sogar an Gott – dann darf ich doch erst recht zweifeln.“ Der Journalist forderte dringend ein politisches Engagement der Christen. „Wie soll sich eine Kirche im Hier und Jetzt behaupten, die das Hier und Jetzt ausklammert?“ Sie müsse immer dort auf den Plan treten, wo Unrecht geschehe und sich solidarisch zeigen mit denen, die für das Gute kämpften.„Sie darf – das ist ihr großer Vorteil – naive Forderungen stellen. Sie darf aus dem Herzen sprechen, sie darf sagen: So hat Gott das nicht gewollt. “ Er möge zwar nicht an Gott glauben, schloss Alexander Klex, "aber ich glaube daran, dass die Kirche den Menschen vor dem Zynismus bewahren kann. Dass Gott ihnen die Kraft geben kann, gut zu sein."

Ein leidenschaftliches Plädoyer für die offene Begegnung mit anderen, für Zugänglichkeit, Mitmenschlichkeit und das Mitgefühl für andere hielt der Deutsch-Brasilianer Israel Pereira aus München. “Stellen Sie sich vor, Sie sind das erste Mal in einem ganz neuen Land und es ist die zweite Woche. Es ist Sonntag. You do not know the language….Sie sind ein Christ”, nahm er die Zuhörenden in seine Erfahrungen in Deutschland mit hinein. Er hätte viel Entgegenkommen erlebt, wofür man keine Sprache benötigte. Hilfsbereitschaft, willkommen sein und Gottes Liebe könne man gut durch Taten verstehen. „Kennen wir die Sprache des Bäckers um die Ecke? Wissen wir, was er oder sie als Mensch braucht? Kennt die Nachbarschaft unsere Sprachen? Können wir sie mit unseren Taten überzeugen, dass sie, egal wer sie sind, willkommen sind?“, fragte Pereira.

Der gesamte Vortrag von Dr. Steffen Bauer im Video

„Es braucht eine Kirche der Menschen“, die nicht mehr unterscheidet zwischen einem „Wir“ der Kirche, und anderen Menschen, forderte Steffen Bauer, Leiter der Ehrenamtsakademie der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Dies aber bedeute ein großes Umdenken der Kirche. Eine solche Kirche gebe als Erzählgemeinschaft vielfältigen Erzählungen Raum, „das heißt, nicht die einen sind Subjekte und die anderen Objekte, sondern wir lassen einander erzählen, wir lassen machen, wir lassen zu. Wir haben das Zutrauen, dass alle mit ihren Erzählungen Resonanzen des Glaubens erzeugen und selber Resonanzen unseres Gottes in sich tragen können.“ Das „wir“ seien alle Menschen, Getaufte und nicht Getaufte. Dies sei mit neuen Haltungen verbunden, so Bauer: lange zuzuhören, zuzulassen, auszuprobieren sowie eine große Freude an der Verschiedenheit. Das könne man nicht einfach machen, das sei ein langer Weg.

Glaubenserzählungen, die die Kirche tragen

Strukturell stehe die bayerische Landeskirche vor gewaltigen Herausforderungen. „Ich glaube, dass wir alle noch nicht wissen, wie Kirche sich strukturell weiter entwickeln wird.“ Kirche der Menschen habe vor allem die Aufgabe, zu ermöglichen, dass Erzählungen erzählt und gehört würden. Das verdeutlichte Steffen Bauer anhand seines 30jährigen Sohns. Nach einem möglichen Kirchenaustritt gefragt, habe dieser vehement verneint." Seine Lebensgefährtin, Assistenzärztin in einer Münchner Klinik auf einer Krebsstation würde nämlich immer wieder erleben: Christen sterben anders.“ Solche Erzählungen sprächen für sich, so Bauer, „sie sind die Glaubenserzählungen, die unsere Kirche tragen, sie tragen so tiefe Gotteserfahrungen in sich.“

Von Positiven Beispielen im Dekanat Augsburg erzählte Synodaler Bernhard Offenberger

Bild: mck

Synodaler Bernhard Offenberger vor der Synode

In verschiedenen angeregten Diskussionen nahmen die Synodalen die Impulse auf und führten sie weiter. In word-clouds hielten sie fest, was die Kirche der Zukunft brauchte und überlegten Wege dorthin. Insbesondere die Frage nach der Veränderung der Strukturen wurde immer wieder thematisiert: Zentralisierung oder kleine, wenig regulierte Einheiten? Top Down oder Bottom Up? Veränderung in der Fläche oder auch in der Kirchenleitung? „Wann fangen wir an, in unseren Strukturen das Zuhören und das Wahrnehmen einzuüben? Wir müssen das ‚Irgendwann‘ ins ‚Jetzt‘ holen, lassen Sie uns auch in den Strukturen das Ausprobieren wagen und den neuen Weg finden!“ So der Synodale Wolfgang zu Castell. Dabei seien Kirchengemeinden und Dekanate schon gut unterwegs, berichteten Synodale.

Heinrich: Andere zum Leuchten bringen

Die Synodale und EKD-Präses Anna Nicole Heinrich unterstrich die Rolle der Kirche von morgen als Ermöglicherin. „Das hat vielleicht auch etwas Trauriges, weil wir einen Schritt zurücktreten hinter andere Menschen“, so Heinrich. Aber andere Menschen aus der zweiten Reihe zum Leuchten zu bringen sei viel schöner als selbst in der ersten Reihe zu stehen.

Zum Abschluss des Thementags zog das Vorbereitungsteam ein positives Resümee. Nun müsse man in Gemeinden und Dekanate vor Ort mitnehmen. Er wünsche sich einen Impuls an die Gemeinden, so Synodaler Klaus Schlicker: „Macht einfach! Ihr dürft es. Wir dürfen den Menschen viel zutrauen und wir dürfen Gott sehr viel zutrauen.“ Auch Synodalpräsidentin Annekathrin Preidel freute sich über den gelungenen Tag. Nicht alle Fragen seien gelöst, es gebe vielleicht mehr Fragen als vorher, aber das öffne den Weg in die Zukunft.

21.03.2022
ELKB/Lüters