Die ELKB und ihre Diakonie folgen dem Anspruch einer menschenwürdigen Pflege.
Bild: Melpomenem
Altenpflege
Alte Menschen in Ehren halten – würdige Pflege ermöglichen
"Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass dir’s wohl gehe und du lange lebest auf Erden" (4. Gebot)
Das vierte Gebot gibt uns Christen auf, die altgewordenen Eltern zu ehren, sie wertzuschätzen und zu umsorgen – zu Hause oder in einer Einrichtung. Ein Dasein in Würde ist gerade für Menschen in der letzten Lebensphase unverzichtbar – zumal wenn sie auf Pflege angewiesen sind. Freundliche, liebevolle Zuwendung zum Menschen im Alter gehört zum Kern christlicher Ethik und betrifft die Mitte unserer Gesellschaft. Pflegebedürftigkeit darf nicht als rein individuelles Schicksal abgetan werden, sondern sie erfordert die generationenverbindende Solidarität. Eine angemessene Pflege und Betreuung ist Ausdruck der sozialen Güte unserer Gesellschaft.
Schon im Jahr 2002 hat die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern (ELKB) in einer Kundgebung zur Altenpflege Defizite benannt und eine Verbesserung der Rahmenbedingungen angemahnt. Umso mehr sehen wir mit Sorge, dass sich die Situation in der Pflege seitdem verschärft hat. Der beschleunigte demografische Wandel, die anhaltende Unterfinanzierung der Pflege und der sich dort zuspitzende Fachkräftemangel sind eindeutige Alarmzeichen. Bereits bis 2020 wird die Zahl von heute 2,5 Millionen Pflegebedürftigen auf knapp 3 Millionen steigen – dann fehlen voraussichtlich über 200.000 Pflegekräfte. Dabei bleibt den Beschäftigen schon heute oft viel zu wenig Zeit für die ihnen anvertrauten Menschen. Daran hat auch das seit Anfang 2013 geltende Pflege-Neuausrichtungsgesetz kaum etwas geändert: Nach wie vor sehen sich die Pflegekassen nicht in der Lage, würdige Pflege in angemessener Qualität und mit Zeit für mehr persönliche Zuwendung zu finanzieren.
23.02.2016
ELKB
Was ist zu tun?
• Der Pflegebedürftigkeitsbegriff ist mit Blick auf Menschen neu zu definieren, deren Alltagskompetenz eingeschränkt ist, z.B. Demenzkranke.
• Das derzeit oft als entwürdigend empfundene Begutachtungsverfahren zur Einstufung der Pflegebedürftigkeit ist dieser Neudefinition anzupassen.
• Die Beiträge zur Pflegeversicherung müssen um einen weiteren Prozentpunkt angehoben werden. Langfristig gehört auf die Agenda der Politik eine Neukonzeption der Finanzierung der Pflege (z.B. auch steuerfinanziert).
• Durch diese verbesserte Finanzierung soll auch eine Aufstockung des Pflegeheimpersonals um mindestens 10% bei allen Trägern der Altenhilfe ermöglicht werden.
• Eine Entbürokratisierung des Pflegebereichs ist dringend geboten, damit das Personal mehr Zeit für den eigentlichen Dienst an den Menschen und mehr Raum für Zuwendung hat.
• Der Forderung „ambulant vor stationär“ ist im Sinne von Gleichwertigkeit entgegenzustellen: „ambulant und stationär“ – je nach individuellem Pflegebedarf.
• Das Image der Pflege muss gefördert werden. Damit mehr junge Menschen einen Pflegeberuf ergreifen, braucht es eine bessere Bezahlung und eine bessere Durchlässigkeit in den Ausbildungsgängen (z.B. auch mit Blick auf akademische Qualifizierungsmöglichkeiten). Zu begrüßen ist in diesem Zusammenhang, dass seit kurzem die Bedingungen für eine schulgeldfreie Ausbildung in der Altenpflege geschaffen wurden.
• Qualifizierte ausländische Berufsabschlüsse müssen in Deutschland schneller anerkannt werden, damit mehr Pflegekräfte zur Verfügung stehen.
• Wir fordern Politik und Pflegekassen auf, eine Konzeption zur Aufwertung der Pflegeberufe vorzulegen. Als Landeskirche und Diakonie bieten wir unsere Mitarbeit an.
• Menschen, die pflegebedürftige Familienangehörige zu Hause versorgen, brauchen mehr Anerkennung und großzügigere Erleichterungen (z.B. bei beruflichen Chancen, Rentenanrechnung, Urlaubsgewährung und Entlastungsangeboten für den Alltag.) Das betrifft bisher vor allem Frauen.
• Menschen, die keine Kraft für Pflege mehr haben, benötigen Verständnis, Unterstützung und seelsorgliche Begleitung.
Die ELKB und ihre Diakonie folgen dem Anspruch einer menschenwürdigen Pflege seit langem: Aktuell werden in über 600 Einrichtungen kleiner und großer Träger der bayerischen Diakonie ca. 40.000 Menschen von 25.000 Pflegekräften und 7.600 ehrenamtlich Pflegenden ambulant und stationär an Leib und Seele betreut. Die Landeskirche und ihre Diakonie sehen dies nicht nur als eine Aufgabe, die subsidiär für das Gemeinwesen übernommen wird, sondern auch als originär kirchlich-diakonisches Anliegen. Im Übrigen erfordert die zunehmende Morbidität der Pflegebedürftigen eine hohe Fachlichkeit der Pflegekräfte, insbesondere auch in der Palliativpflege und der Hospizarbeit. Ehrenamtliches Engagement kann diese Fachlichkeit hilfreich ergänzen, jedoch nicht ersetzen.
Als Kirchenleitung danken wir ausdrücklich allen, die sich haupt- oder ehrenamtlich mit großem Einsatz für eine liebevolle Pflege engagieren, sowie den Mitarbeitenden in der Altenheimseelsorge. Wir ermuntern die Kirchengemeinden und Dekanate, das Thema Pflege in geeigneter Form z.B. in Gottesdiensten oder in der Erwachsenenbildung aufzugreifen. Die Gemeindeglieder bitten wir sich, z.B. für diakonische Einrichtungen vor Ort einzusetzen. Außerdem appellieren wir an alle Verantwortlichen in Dekanaten und Gemeinden, im Doppelwahljahr 2013 das persönliche Gespräch mit politischen Mandatsträgern zu suchen und auf die prekäre Situation der Pflege und nötige Reformen aufmerksam zu machen.
Wir wenden uns an alle bayerischen Bundestagsabgeordneten, an die bayerische Staatsregierung und alle Fraktionen im Bayerischen Landtag, sowie an die Mandatsträger in den Bezirken und an die Verantwortlichen in den Kranken- und Pflegekassen, sich für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen zugunsten einer menschenwürdigen Pflege einzusetzen.
Gute Pflege geht alle an! Um diesem Anliegen breitenwirksam Gehör zu verschaffen, wird die bayerische Landeskirche mit ihrer Diakonie eine bayernweite Kampagne zur Altenpflege starten.
Pflege braucht Pflege!
Nürnberg, 18. April 2013