Katrin Vogelmann (26 Jahre) und Malte Scholz (21 Jahre)

Katrin Vogelmann (26 Jahre) und Malte Scholz (21 Jahre)

Bild: ejb

Interview

Die Protestformen sollte man nicht aufblähen

Am Rande der Synode führten wir ein Gespräch mit Katrin Vogelmann und Malte Scholz, den beiden Vorsitzenden der Evangelischen Jugend in Bayern über Klimaschutz und die Debatte um die „Letzte Generation“

Die Debatte um die Klimaaktivitäten der „Letzen Generation“ spitzt sich immer mehr zu. Leider konzentriert sie sich fast nur darauf, dass sich junge Leute auf Autobahnen festkleben oder Kunstgemälde beschädigen. Die Rede ist sogar von „Klima-RAF“ und „Extremismus“. Die eigentlichen Anliegen, also der Klimaschutz, scheinen im öffentlichen Diskurs keine Rolle mehr zu spielen. Wie geht es euch damit, wenn ihr wahrnehmt, wie hier junge Menschen, die sich für das Klima einsetzen, beschimpft werden und kein Verständnis erhalten?
Die aktuelle Diskussion um die Formen des Protestes sind frustrierend und machen uns auch immer wieder wütend. Junge Menschen wählen aus Verzweiflung und weil sie nicht mehr wissen, was sie noch tun können, diese Mittel als letzten Weg des Protestes. Die Antwort auf diese Form des Protestes ist leider kein Gesprächsangebot. Die jungen Menschen müssen in Bayern sogar mit Präventivhaft von bis zu 30 Tagen rechnen. Schon 2018 haben wir beim Landesjugendkonvent die Änderung des Polizeiaufgabengesetzes scharf kritisiert. Genau dieses Gesetz lässt es nun zu, dass die jungen Menschen der „Letzten Generation“ (derzeit 13) wegen ihren Protesten, bei denen sie sich an einer Fahrbahn festgeklebt haben, in Präventivhaft sitzen. Die jungen Menschen, die auf die größte Gefahr unserer Zeit aufmerksam machen, werden nun als Gefährder eingesperrt. Das Signal ist erschreckend. Für uns ist klar, dass wir diese Krise nur gemeinsam bewältigen können und das geht nur, wenn wir einander zuhören.

Wie weit würdet ihr persönlich gehen? Wollt ihr die Protestformen bewerten oder sollte man das einfach sein lassen? Wie weit darf Protest bzw. ziviler Ungehorsam gehen?
Wir wollen die Diskussion um die Protestformen nicht aufblähen, sondern lieber über das Anliegen sprechen. Allgemein ist für uns eine Grenze erreicht, wenn Menschen zu Schaden kommen, die Demokratie in Frage gestellt oder verfassungsfeindlich gehandelt wird. Ziviler Ungehorsam als letzter Ausdruck eines Gewissenskonfliktes ist für uns aber durchaus verständlich. Persönlich geht es uns so, dass sich die Verzweiflung im Angesicht unserer Verantwortung für die Schöpfung oft so stark anfühlt, dass wir persönlich mit uns ringen, was wir noch tun müssen, damit die Bewahrung der Schöpfung gelingt, denn die Zeit tickt.

Bei den Friday‘s for Future Demonstrationen hat sich die Evangelische Jugend eingebracht. Es ist in der EJ ruhiger geworden. Liegt das nur an Corona und den damit verbundenen Beschränkungen?
Corona ist nicht der einzige Grund, spielt aber auf jeden Fall eine Rolle. Die Krisen unserer Zeit (Corona, der Krieg gegen die Ukraine und die daraus folgende Energiekrise) machen müde. Es fehlt einfach die Energie, allen Problemen mit der notwendigen Aufmerksamkeit zu begegnen. Die Überzeugung und der tief verankerte Drang, die Klimakrise abzuwenden, sind geblieben. Aber die Kraft gegen allen Frust anzukämpfen und immer weiter in den Dialog zu gehen, um gemeinsam Lösungen zu finden, lässt nach. Gerade deshalb sollten wir den Protest der jungen Leute der „Letzten Generation“ nicht verurteilen. Denn sie handeln und bringen alle Energie auf, um sich für die Abwendung der Klimakrise einzusetzen.

In der EJ sprechen wir in der Regel von der Bewahrung der Schöpfung. Stimmt diese Terminologie und kommt diese bei Jugendlichen an?
Unser Engagement fußt für uns im Herzen auf dem christlichen Auftrag der Bewahrung der Schöpfung. Wenn wir Gott als Schöpfergott, uns als Ebenbilder Gottes und die Welt als eine uns anvertraute annehmen, erkennen wir einen klaren Auftrag. Keine Ahnung, ob diese Terminologie bei jungen Menschen überhaupt ankommen muss. Wichtig ist doch, dass wir ein gemeinsames Ziel haben. Und ob „man“ sich dann von der Stimme der Vernunft, wissenschaftlichen Argumenten, einem inneren Bedürfnis nach Überleben, der Liebe zu Enkel:innen oder Gottesglauben leiten lässt, müssen letztlich alle für sich beantworten.

Ich will jetzt kein Rezept von euch, was EJ und unsere Kirche tun sollte. Aber vielleicht gibt es einen Wunsch, den ihr weitergeben wollt oder eine Aufforderung …
Wir sind unendlich froh, dass unsere Kirche und unser Landesbischof die Bewahrung der Schöpfung und die notwendigen Maßnahmen auf dem Weg zur Klimaneutralität zur Priorität machen. Wir wünschen uns, dass wir gerade als junge Menschen nicht müde werden, so lange ins Gespräch zu gehen, bis wir erreicht haben, was notwendig ist: die Einhaltung des 1,5 Grad Zieles und damit der Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung.

29.11.2022
Christina Frey-Scholz

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